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Mehr Wohnungen, weniger Bürokratie

19.09.2024

Die Raumordnungspolitik der letzten 20 Jahre ist kläglich gescheitert. Gründe dafür sind eine überbordende Gesetzgebung, wie das Raumplanungsgesetz und das Zweitwohnungsgesetz, überregulierte Baugesetze, endlos lange Bewilligungsverfahren, eine Vielzahl von Schutzvorschriften, wie beispielsweise Denkmalschutz, Heimatschutz und Lärmschutz sowie zahlreiche Einsprachen. Die Folge: Private ziehen sich als Bauherren zurück. Es wird nicht mehr gebaut, es fehlt an Wohnraum und die Mietpreise steigen.

Die Lösung dieser Probleme scheint für viele der Ruf nach mehr Staat zu sein. Statt innovative, zukunftsgerichtete Lösungen auf Gemeindeebene zu suchen, werden Rezepte aus der Mottenkiste geholt: Markteingriffe, Zweitwohnungssteuern, Planungszonen, Gebote, Verbote und noch mehr Regulierungen. Wie die Beispiele Sils im Engadin und Pontresina zeigen, lehnt jedoch das Volk solche staatlichen Eingriffe ab.

Weitere Gründe für die Wohnungsknappheit sind die demografische Entwicklung, die Zuwanderung, die Zunahme von Kleinhaushalten und der steigende Flächenbedarf pro Person. Deshalb braucht die Schweiz jedes Jahr bis zu 50'000 zusätzliche Wohnungen. Dem Wohnungsneubau stehen jedoch zahlreiche Hindernisse und Restriktionen entgegen, und die Zahl der erteilten Baubewilligungen für Neubauten ist rückläufig - seit 2016 um über 30 Prozent.

Angesichts dieser Herausforderungen wurde der «Bund für mehr Wohnraum» gegründet. Dieser lanciert das «Wohnungspolitische Manifest» und fordert Erleichterungen für den Wohnungsneubau und weniger Bürokratie. Den grossen Herausforderungen auf dem Schweizer Wohnungsmarkt kann nur mit Massnahmen begegnet werden, die das Wohnungsangebot wirksam erhöhen. Dazu gehören unter anderem Erleichterungen bei der Aufstockung bestehender Wohnungen und die Gleichbehandlung aller Akteure, die in der Schweiz Wohnungen bauen. Nicht zielführend ist hingegen eine Überregulierung des Angebots, wie dies heute der Fall ist.

Wie sehen also zukunftsorientierte und nachhaltige Lösungen aus? In erster Linie müssen die bestehenden Bauzonen besser genutzt werden. Letztes Jahr waren in Graubünden 888,6 ha Wohn-, Misch- und Zentrumszonen unüberbaut. Das entspricht 12’555 unbebauten Parzellen oder 1'244 Fussballfeldern. Wer hätte das gedacht? Dieses Bauland kann und muss von den Gemeinden und Bürgergemeinden aufgewertet werden, beispielsweise durch Abgabe im Baurecht, um nur ein Beispiel zu nennen.

Zweitens muss eine qualitativ hochwertige Verdichtung in den Städten und Agglomerationen, eine erleichterte Aufstockung bestehender Wohngebäude, eine Erhöhung der Ausnützungsziffern in Wohnzonen, eine bessere und flexiblere Durchmischung von Gewerbe- und Wohnzonen sowie eine erleichterte Umnutzung bestehender Bürogebäude in Wohngebäude ermöglicht werden. Hier sind die Gemeinden mit ihren Bauämtern, Raumplanern und Rechtsberatern gefordert, Entwicklungen zuzulassen und nicht - etwa mit Mehrwertabgaben - im Keim zu ersticken.

Drittens müssen Überregulierung und Bürokratie abgebaut werden. Baubewilligungs-, Einsprache- und Gerichtsverfahren sind zu beschleunigen, eine konsequente Digitalisierung der Baubewilligungsverfahren ist endlich einzuführen, eine Erhöhung der Kostenfolgen bei missbräuchlichen Einsprachen ist anzustreben. Zudem sind eine vernünftige Umsetzung der Lärmschutzverordnung sowie Lockerungen im Denkmal- und Heimatschutz im Rahmen der Interessenabwägung vorzunehmen. Endlose Schutzvorschriften lähmen, ja verhindern jede Entwicklung. Nein, es wird nicht die Abschaffung aller Schutzmassnahmen gefordert, aber ein Schutz mit Augenmass wäre angebracht.

Viertens müssen alle Akteure des Wohnungsbaus in der Schweiz gleichbehandelt werden. Insbesondere darf es kein Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand und staatsnahe Betriebe geben. Ein solches benachteiligt oder verdrängt private Investoren vom Wohnungsmarkt.

Fünftens darf das Mietrecht nicht weiter verschärft werden - es ist bereits so stark reguliert wie kaum ein anderes Rechtsverhältnis. Zudem ist eine weitergehende staatliche Rendite- und Mietzinskontrolle unbedingt zu vermeiden und die missbräuchliche und überteuerte Untervermietung von Mietwohnungen zu unterbinden. Ziel muss sein, die Untervermietung auf maximal zwei Jahre zu begrenzen, das Mitspracherecht des Eigentümers zu stärken und die Belegung von Wohnungen und Geschäftsräumen bei Eigenbedarf zu erleichtern.

Dieser Strauss von zielführenden Massnahmen zeigt, dass weder Planungszonen noch Zweitwohnungssteuern notwendig sind. Auch braucht es keine Gebote und Verbote und schon gar nicht Enteignungsmassnahmen.

Reto Nick, Geschäftsführer Hauseigentümerverband Graubünden